— Toscana – der Name dieser Landschaft erinnert noch heute an jenes Volk, das in der Antike dort lebte: die Tusci oder Etrusci wie die Römer die Etrusker nannten.
Woher kamen die Etrusker? Darüber waren sich selbst antike Gelehrte nicht einig: Waren sie Ureinwohner Italiens oder Einwanderer aus Kleinasien, von der heutigen Westküste der Türkei? Diese Frage konnte auch die moderne Wissenschaft bisher nicht lösen. Sicher ist: Sie lebten vom 10. bis 1. Jahrhundert v. Chr. in Mittelitalien, auf dem Boden der heutigen Toskana, Latiums, Umbriens, der Emilia-Romagna und Teilen Kampaniens.
Den Etruskern verdanken wir die erste Hochkultur Italiens. Was wir über sie wissen, stammt aus der Feder nicht immer wohlgesonnener Nachbarn, der Griechen und Römer. Da wird von trinkfesten Frauen, fetten Männern und ausschweifenden Gelagen gesprochen. Andererseits werden die Etrusker auch als mächtig, göttergläubig und als religiöse Experten bezeichnet. Ihr kulturelles Erbe, wie faszinierende Wandmalereien, monumentale Grabbauten und prachtvolle Grabbeigaben ermöglicht Einblicke in ihre vielfältige Alltagskultur mit hoher Lebensqualität.
„ … uraltes und aufgrund der Sprache und der Gebräuche von allen anderen sich unterscheidendes Volk.“
Dionysios von Halikarnassos I 30
— Die Bevölkerung Etruriens wohnte in der frühen Villanovazeit (9.–8. Jahrhundert v. Chr., eisenzeitliche Kultur) in kleineren Ansiedlungen. Nach stetigem wirtschaftlichem Wachstum entwickelten sich diese etwa bis zum 6. Jahrhundert v. Chr. zu etruskischen Städten.
Die Städte hatten eine eigene politische Verwaltung und waren wirtschaftlich und militärisch unabhängig. Deshalb nennt man sie Stadtstaaten. Das heißt, es bestand nie ein einziges großes Etruskerreich, sondern es existierten verschiedene etruskische Stadtstaaten mit den ihnen zugehörigen Gebieten. Im Kernland der Etrusker zwischen Arno und Tiber gab es ein dichtes Netz solcher Stadtstaaten, das mit der Erweiterung des etruskischen Einflussgebietes im Norden und Süden größer wurde.
Wichtige Metropolen schlossen sich zu einem Zwölfstädtebund zusammen. Es handelt sich dabei um eine Interessensgemeinschaft, die sich regelmäßig in einem Heiligtum, dem berühmten Fanum Voltumnae in Orvieto traf und wohl zu religiösen, vielleicht auch politischen Themen abstimmte.
„Diese [die Etrusker] zeichneten sich früher durch ihre Tapferkeit aus, erwarben ein weites Land und gründeten viele ansehnliche Städte. In gleicher Weise waren sie auch in der Seefahrt groß und herrschten lange Zeit über das Meer.“
Diodor V 40 (griechischer Historiker, 1. Jh. v. Chr.)
Vetulonia
Die nordetruskische Küstenstadt Vetulonia war im 7. Jh. v. Chr. das wichtigste Metall-verarbeitungs- und Handelszentrum Etruriens, bedeutende Seehandels-metropole und zu dieser Zeit auch eines der mächtigsten Mitglieder des Zwölfstädtebundes. In den 1980er Jahren wurde eine 3 m breite, kanalisierte Straße und Grundmauern von Häusern und Läden eines Stadtviertels (sog. Poggiarello Renzetti, 3.-1. Jh. v. Chr.) ausgegraben.
Vulci
Vulci war vom Ende des 7. bis zur Mitte des
5. Jahrhunderts eine der glanzvollsten süd-etruskischen Metropolen. Sein Reichtum zeigt sich in der Tatsache, dass es eines der produktivsten Kunstzentren und zugleich der bedeutendste Fundort attischer Importkeramik ist.
Einzigartig sind Wandmalereien des nach seinem Entdecker benannten Kammergrabs, die Tomba François. Sie zeigen historische Szenen, Kämpfe zwischen Etruskern aus verschiedenen Städten.
Tarquinia
Tarquinia, nach legendärer Überlieferung vom etruskischen „Nationalhelden“ Tarchon gegründet, spielte über Jahrhunderte eine dominierende politische und kulturelle Rolle. Heute ist es vor allem aufgrund seiner Grabmalereien eine Hauptsehenswürdigkeit für Etrurienreisende.
Die Wandmalereien der über 6000 Gräber der Monterozzi-Nekropole haben unser Wissen über etruskische Kultur und Kunst entscheidend geprägt. Daher ist die Nekropole seit 2004 UNESCO-Weltkulturerbe.
Cerveteri
Die bedeutendste Stadt Südetruriens war eine der dynamischsten Metropolen des gesamten Mittelmeerraums mit einer vielfältigen kunsthandwerklichen Produktion. Cerveteri erlebte seine Blütezeit im 7./6. Jh. v. Chr. und die Einwohnerzahl jener Zeit wird auf 25.000 Menschen geschätzt.
Die Nekropole auf dem Banditaccia-Plateau, die größte Etruriens, gehört seit 2004 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Orvieto
Orvieto, die auf einem steilen Felsplateau thronende Metropole Inneretruriens, war in der Antike berühmt als Sitz des Bundesheiligtums des Zwölfstädte-bundes. In der römischen Kaiserzeit zählte es mit Arezzo und Perugia zu den drei wichtigsten etruskischen Städten.
Der Tempel von Belvedere (5. Jh. v. Chr.) in Orvieto entspricht dem sog. Tuskanischen Typus mit dreigeteiltem Hauptraum und war wohl einer Göttertrias geweiht. Die Fundamente des Heiligtums sind heute noch zu sehen.
Veji
Veji, führendes Mitglied des etruskischen Zwölfstädtebundes, zählte zu den bedeutendsten Städten Südetruriens. Sie war die große Konkurrentin Roms um Macht und Einfluss in der Region.
Die Stadt besaß mit dem sog. Portonaccio-Tempel eines der berühmtesten Heiligtümer der etruskischen Welt. Statuen und dekorative Elemente dieses Tempels sind in unserer Ausstellung zu sehen.
Perugia
Perugia gehörte im 4./3. Jh. v. Chr. zusammen mit Arezzo und Orvieto zu den drei mächtigsten Metropolen Etruriens. Seinen Wohlstand verdankte der Verkehrsknotenpunkt dem Handel, der Landwirtschaft, aber auch der Herstellung von Waffen und Rüstungen.
Der Arco Etrusco in Perugia gehört zu den größten und am besten erhaltenen Toranlagen Etruriens. Neben etruskischen weist er römische Bauelemente und eine renaissancezeitliche Bauphase auf.
Marzabotto
Marzabotto gilt als die am besten erforschte etruskische Stadt und zeichnet sich besonders durch das rechtwinklige Straßensystem und die daran ausgerichteten Wohnblöcke aus. Die Stadt nahm eine Vorreiterrolle bei der Urbanisierung Etruriens ein.
Sehr selten bei den Etruskern sind Handwerksstücke aus Marmor, jedoch wurde der Kopf einer Jünglingsstatue aus diesem Stein in Marzabotto gefunden. Importiert oder von einem griechischen Bildhauer vor Ort angefertigt, war es eine exquisite Rarität.
Fiesole
Die etruskische Stadt Fiesole entwickelte sich aus dem Zusammenschluss mehrerer kleiner Ansiedlungen. Diese lagen auf einem ausgedehnten, ebenen Höhenzug, der seit der frühen Eisenzeit kontinuierlich besiedelt wurde.
Noch heute können Sie hier Reste der etruskischen Stadtmauer sowie eines Tempels (beides 4./3. Jahrhundert v. Chr.) entdecken. Von Fiesole aus genießt man einen wunderschönen Ausblick auf das jüngere Florenz.
Arezzo
Aus einer kleinen landwirtschaftlich geprägten Siedlung in archaischer Zeit (6. Jh. v. Chr.) entwickelte sich Arezzo zu einem bedeutenden Zentrum und wichtigen Verkehrsknotenpunkt Nordostetruriens.
Erst ab dem 4./3. Jh. v. Chr. entfaltete es eine beachtliche Wirtschaftskraft in der Metall- und Tonverarbeitung.
Schon im 16. Jahrhundert wurden in der Umgebung mehrere etruskische Bronzefiguren entdeckt, darunter auch die berühmte Chimäre von Arezzo – ein Mischwesen aus einem Löwen, einer Ziege und einer Schlange.
Cortona
Die auf einer Anhöhe strategisch günstige gelegene Stadt Cortona erlebte ihre größte Blüte in hellenistisch-römischer Zeit. Die mehr als 2 km lange Stadtmauer (5./4. Jh. v. Chr.) scheint in ihrem Verlauf nahezu identisch mit der darüber liegenden mittel-alterlichen Stadtmauer gewesen zu sein. Sie ist heute noch an mehreren Stellen sichtbar.
Eines der bedeutendsten etruskischen Schrift-zeugnisse, die sog. Tabula Cortonensis – ein privater Vertrag auf einer Bronzetafel – stammt aus dieser Stadt.
Volterra
Volterra, Gründungsmitglied des Zwölfstädtebundes, war das einzige größere Zentrum im Inneren Nordwestetruriens. Seine Glanzzeit als urbane und künstlerische Metropole von überregionaler Bedeutung erlebte es spät, ab dem 4. Jh. v. Chr.
Das im Süden in die Stadtmauer eingebaute Stadttor (Porta all´Arco, 3.-2. Jh. v. Chr.) zählt zu den am besten erhaltenen Etruriens. Bei uns in der Ausstellung können Sie die berühmte Statuette „Ombra della Sera“ eines überlangen Jünglings aus Volterra betrachten.
Populonia
Populonia liegt als einzige etruskische Stadt nicht im Landesinneren, sondern direkt an der tyrrhenischen Küste. Reiche Metallvorkommen sowie der intensive Handel mit Erzen begründeten den Reichtum der Industrie- und Handelsstadt von internationalem Ruf.
Berühmte Fundstücke aus Populonia sind die Überreste eines Streitwagens aus einem Grab (Tomba die Carri). Eine Rekonstruktion dieses Wagens mit Originalteilen können Sie in der Ausstellung entdecken.
Chiusi
Chiusi war die wichtigste Metropole Inner-etruriens mit einem großen politischen und kulturellen Einflussbereich. Sie galt als eine der wichtigsten Kunstzentren mit einer hoch-wertigen und kreativen, aber konservativen künstlerischen Produktion.
Heute sind die etruskischen Funde aus Chiusi und Umgebung im Museo Archeologico Nazionale zu sehen. Entdecken Sie aber auch in unserer Ausstellung einige dieser wertvollen Exponate!
— Die etruskischen Goldschmiede waren begnadete Künstler. Sie beherrschten die schwierigsten Techniken und erstellten eindrucksvolle Kunstwerke.
Der Rohstoff Gold war in Etrurien nicht vorhanden. Vermutlich stammte das Gold aus Mitteleuropa, von der Iberischen Halbinsel oder aus dem östlichen Mittelmeerraum. Die Goldartefakte des 8. Jh. v. Chr. waren relativ einfache Stücke wie Spiralen aus Golddraht als Zopfhalter oder Fibeln als Schmuck und zur Befestigung der Kleidung.
Ab Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. entstanden qualitätsvolle Goldschmiedearbeiten im großen Stil. Wahrscheinlich haben die etruskischen Kunsthandwerker neue Techniken wie die Granulation (Verlötung winziger Goldkügelchen zu ornamentalem Dekor), das Filigran (mit Golddraht) sowie die Goldlaminierung von Objekten, aus dem östlichen Mittelmeerraum übernommen und perfektioniert.
Zahlreiche Prestigeobjekte in den Nekropolen Etruriens, z. B. Prunkfibeln, Halsketten mit Anhängern, Armreife, Ohrringe und Gefäße, zeugen von den besonderen Fertigkeiten, der Kreativität und dem Kunstsinn der etruskischen Goldschmiede.
Drachenfibel mit Granulationsdekor aus Marsiliana d’Albegna
Goldene Kammschließe aus der Tomba Bernardini mit vielen kleinen Figuren wie Löwen, Reitern und Sphingen
Prunkfibel aus Vulci mit eingeritzter Szene zweier kämpfender Krieger
Prunkfibel aus Vulci mit eingeritzter Szene zweier kämpfender Krieger
Schmuckplakette mit gelagertem Satyrn aus Vignanello
Goldener Armreif in Filigran-Technik aus Vetulonia
Navicella-Fibel mit Besitzer-Inschrift der Ati Velaruna und winzigem Goldkügelchen-Dekor aus Vulci
Goldenes Zierstück in Form einer prächtig gekleideten Frau aus Cerveteri
„Die Dinge, die sie während der Jahrhunderte ihres Wohlstandes hervorbrachten (…) atmen eine gewisse Lebensfülle.“
D.H. Lawrence, Etruskische Stätten, 1932
— Etruriens Lage am Mittelmeer war eine wichtige Voraussetzung für den Austausch mit anderen Kulturen. Die etruskischen Stadtstaaten und vor allem die Hafenstädte bildeten die Zentren der interkulturellen Begegnung. Häufig werden in archäologischen Ausgrabungen etruskischer Grabstätten Waren entdeckt, welche aus anderen Regionen des Mittelmeerraums importiert wurden.
Einige der frühesten Importe stammen aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. aus Sardinien. Mit den wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen erweiterten sich auch die internationalen Kontakte wie zum Beispiel mit den Griechen, Phöniziern, Puniern in Nordafrika oder den Kelten. Es handelt sich dabei zum einen um einen Austausch von Rohstoffen wie Bronze oder Eisen und von Handwerksarbeiten wie Keramik oder Schmuck. Zum anderen geht es auch um den dynamischen Transfer von Wissen, Ideen und Personen, z. B. von Handwerkern und Kaufleuten.
Die Etrusker nahmen die fremden Einflüsse auf und formten sie zu ihrer eigenen, sehr spezifischen Identität um. Es entstand eine Mentalität, die mit anderen Zivilisationen globale Phänomene teilte und die etruskische Kultur zu einer Weltkultur machte.
Etruskische Zierplaketten aus importiertem Elfenbein mit Motiven bekannt aus dem östlichen Mittelmeerraum, aus Comeana
Bronzener etruskischer Dreifuß aus dem Grab einer keltischen Fürstin in Bad Dürkheim
— Stimmungsvoll und fröhlich muten die Bankettdarstellungen auf Wandmalereien in etruskischen Gräbern an. Festlich gekleidet lagern Männer und Frauen auf Klinen (Liegemöbeln) und genießen Wein und Speisen. Akrobaten, Tänzer und Musikanten sorgen für Unterhaltung.
Das festliche Bankett veranschaulicht etruskische Lebenskultur: das repräsentative Tafeln ist nicht nur Ausdruck von Lebensfreude, sondern auch von Wohlstand und sozialem Prestige. Dies trifft auf das Diesseits wie möglicherweise auch auf das Jenseits zu. Der Wunsch nach einem glückseligen Jenseits wird mit zahlreichen Grabmalereien und Bildwerken wie Urnen oder Sarkophagen mit einem immerwährenden Festmahl symbolisiert.
Die Grabbeigaben und Malereien zeigen Alltagsgegenstände, die zum umfangreichen Bankettgeschirr und insbesondere zum Weingenuss gehören: Mischgefäße, um den Wein mit Wasser zu vermengen und mit Pinienharz, Rosmarin oder Thymian zu würzen. Unerlässlich waren Kannen und Schöpfkellen um Wein auszuschenken, Weinsiebe zum Filtern und Trinkschalen für den Genuss des edlen Tropfens.
Übrigens – nach neuesten Erkenntnissen haben die Etrusker den Weinanbau nach Frankreich gebracht. Santé!
„Sie (die Etrusker) lassen sich nämlich zweimal des Tages üppige Tafeln bereiten und alles übrige, was zu übertreibender Schwelgerei gehört; sie richten Lager aus Blüten her und haben eine Menge von allerlei silbernem Trinkgeschirr und eine nicht geringe Zahl von dienenden Hausgenossen angeschafft.“
Diodor V 40 (griechischer Historiker, 1. Jh. v. Chr.)
— Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern gab es in der Antike nie. Das politische, soziale und wirtschaftliche Leben war immer und überall von Männern dominiert. Für die etruskische Kultur wird jedoch häufig eine besondere Wertschätzung der Frau postuliert bzw. eine große Bedeutung von Ehe und Familie. Einen Hinweis darauf könnten Bildwerke die Ehepaare in liebevoller Umarmung zeigen. Inschriften zeigen, dass ein Etrusker als Namenszusatz und Abstammungsnachweis nicht nur den Namen seines Vaters, sondern auch den der Mutter tragen konnte.
Am Thema Frauen exemplifizieren sich die Unterschiede in Mentalität und im Sozialleben von Griechen und Etruskern, aber auch die damit zusammenhängenden Missverständnisse: Die Etruskerinnen durften z.B. gemeinsam mit den Männern an den festlichen Banketten teilnehmen – ein Skandal in den Augen der Griechen, welche die etruskischen Frauen nicht nur als eitel und „schön“ ansahen. Sondern sie apostrophierten sie auch als „trinkfest“ und verglichen sie mit Prostituierten.
„Etruskische Frauen (...) kümmern sich sehr um die Pflege des Leibes und (...) speisen nicht an der Seite ihrer eigenen Männer, sondern mit wem sie gerade zusammenkommen, und trinken zu, wem immer sie wollen. Sie sind äußerst trinkfest und sehr schön.“
Athenaios (griech. Schriftsteller, 2.-3. Jh. n. Chr.),
Gastmahl der Gelehrten IV 517d-e
— Wer heute durch die Toskana reist, kommt unweigerlich an den Weltkulturerbestätten von Tarquinia und Cerveteri vorbei. Seit 2004 gehören die Monterozzi-Nekropole bei Tarquinia und die Banditaccia-Nekropole bei Cerveteri zum UNESCO-Weltkulturerbe.
In der Villanovazeit wurden die Verstorbenen in kleineren Urnen- und Schachtgräbern bestattet. In der Zeit der Fürsten gab es große begehbare Grabkammern in monumentalen Hügelgräbern (Tumuli) mit kostbaren Beigaben wie Rüstungen, Schmuck oder fremdländischen Importwaren. Die Räume im Grab ahmten die Wohnräume in den Häusern der Etrusker nach. Die Toten sollten es auch im Jenseits gut haben und sich wohl fühlen.
Ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. wurden die Grabwände aufwendig bemalt. Häufig waren es Bankettszenen, aber auch Sportwettkämpfe, Jagd- oder Unterweltszenen. Die Etrusker glaubten, im Jenseits mit ihren Vorfahren weiterzuleben.
Urnendeckel mit einem Ehepaar aus Volterra
— Ein tief religiöses Volk und besonders gewissenhaft im Umgang mit den Göttern – so beschreiben antike Autoren die Etrusker.
Alle Ereignisse auf der Welt und im menschlichen Leben waren, so glaubten die Etrusker, von den Göttern vorbestimmt. Daher galt es, diesen göttlichen Willen zu erkunden, auszulegen und zukünftige Ereignisse möglichst günstig zu beeinflussen. Um mit den Göttern in Kontakt zu treten, bediente man sich verschiedener Kultrituale und -techniken. Hierbei deuteten Priester die Erscheinungen von Blitz und Donner, den Flug der Vögel oder das Aussehen der Innereien von Opfertieren, denn aus ihnen konnte man göttliche Zeichen lesen. Kein Werk wurde begonnen, keine Straße angelegt, ohne sich vorher der Zustimmung der Götter zu versichern.
In der Ausstellung finden Sie eine bronzene Schafsleber, die wohl als Lehrmodell für die Leberschau diente. Auf ihr sind die Namen der Götter und ihre Verortung im etruskischen Himmelsraum eingraviert.
Die Lehre von der Interpretation göttlicher Zeichen, wurde später von den Römern als disciplina etrusca bezeichnet und fand Eingang in ihre eigene Kultpraxis.
Der Urnendeckel des verstorbenen Haruspex Avle Lecu zeigt den Eingeweideseher in langem Priestergewand
Bronzestatuette eines Augurs
— Als zivilisierte Kultur besaßen die Etrusker eine eigene Sprache. Sie ist in sehr vielen kurzen Texten überliefert. Die Etrusker schrieben wohl auch einige längere Texte, zum Beispiel über ihre religiösen Rituale, welche aber nicht mehr erhalten sind.
Bis heute können die Forscher nur einen Teil der Sprache entziffern. Hauptsächlich kennt man Eigennamen, zum Beispiel Laris und Ati. Die Etrusker haben die Buchstaben von den Griechen übernommen und etwas abgewandelt. Geschrieben wurde von rechts nach links, von links nach rechts oder in wechselnder Schriftrichtung. Die etruskische Sprache gehört jedoch nicht zu der indoeuropäischen Sprachgruppe wie etwa Latein und Griechisch.
Archäologen finden auch heute noch etruskische Inschriften bei Ausgrabungen. Sprachforscher versuchen der Entschlüsselung des Etruskischen immer näher zu kommen. Doch die Lösung liegt noch immer im Dunkeln, so dass die Etrusker auch weiterhin ihre Rätselhaftigkeit umgibt.
Ein kleines Gefäß (Aryballos)
mit einem Liebeszauber beschriftet
Der sogenannte Tarchonspiegel aus Tuscania, der Ritzdekor zeigt einen Haruspex bei der Eingeweideschau
— Vieles, was wir für typisch römisch halten, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als etruskisches Erbe.
Im 1. Jahrhundert v. Chr. hatte der römische Staat alle etruskischen Städte vereinnahmt. Dies war jedoch nicht das Ende der Etrusker, sondern sie gingen im Römischen Reich auf und lebten fortan als römische Bürger.
Die Römer ihrerseits führten die etruskische Kultur und Tradition fort, wie die religiösen Rituale der Vogel- und Eingeweideschau oder die Gladiatorenkämpfe, die vielleicht in etruskischen Leichenspielen wurzelten. Sogar die römische Toga lässt sich auf ein etruskisches Gewand, die Tebenna, zurückführen. In die römische Architektur gingen das Atriumhaus und der etruskische Tempeltypus ein. Das Tragen der Bulla wurde ebenfalls übernommen. Waren sie bei den Römern jedoch nur für Jungen üblich, trugen das Amulett bei den Etruskern auch die Mädchen.
Wichtige etruskische Persönlichkeiten sind römischer Geschichte. Wohl um 600 v. Chr. ließ der König Roms Tarquinius Priscus ein umfangreiches Abwassersystem (später zur Cloaca Maxima ausgebaut) anlegen. Dieser bautätige König war jedoch kein Römer, sondern Etrusker.
Porträt aus Marmor des Kaiserberaters Maecenas, entstammt einer etruskischen Aristokratenfamilie
Trikot und Helm eines Football-Spielers der Mannschaft
„Etruschi F. A. Livorno“
Ich bin ein Etrusker
— In der modernen Zeit begegnen uns die Etrusker noch immer – im Sport mit der Footballmannschaft „Etruschi F.A. Livorno“, in Filmen wie „Assassinio al cimitero etrusco“ (1982) [dt. „Mord auf einem etruskischen Friedhof“ en. „Murder in an Etruscan Cemetery“] aber auch in der Kunst. In der neo-etruskischen Strömung des 20. Jahrhunderts waren die Bildhauer Marino Marini und Arturo Martini die Hauptfiguren. Während Marini die Etrusker als Inspirationsquelle benannte, sagte Martini selbstbewusst: „Etruskische Inspiration? Nein, ich bin nicht inspiriert! Ich bin ein Etrusker.“
Bist Du auch ein Etrusker oder eine Etruskerin? In der Ausstellung könnt Ihr uns verraten warum. Oder teilt es uns und anderen bei instagram mit:
#ichbineinetrusker
Copyright © 2017 Badisches Landesmuseum. All rights reserved // Impressum // Datenschutz // Kontakt
— Toscana – der Name dieser Landschaft erinnert noch heute an jenes Volk, das in der Antike dort lebte: die Tusci oder Etrusci wie die Römer die Etrusker nannten.
Woher kamen die Etrusker? Darüber waren sich selbst antike Gelehrte nicht einig: Waren sie Ureinwohner Italiens oder Einwanderer aus Kleinasien, von der heutigen Westküste der Türkei? Diese Frage konnte auch die moderne Wissenschaft bisher nicht lösen. Sicher ist: Sie lebten vom 10. bis 1. Jahrhundert v. Chr. in Mittelitalien, auf dem Boden der heutigen Toskana, Latiums, Umbriens, der Emilia-Romagna und Teilen Kampaniens.
Den Etruskern verdanken wir die erste Hochkultur Italiens. Was wir über sie wissen, stammt aus der Feder nicht fimmer wohlgesonnener Nachbarn, der Griechen und Römer. Da wird von trinkfesten Frauen, fetten Männern und ausschweifenden Gelagen gesprochen. Andererseits werden die Etrusker auch als mächtig, göttergläubig und als religiöse Experten bezeichnet. Ihr kulturelles Erbe, wie faszinierende Wandmalereien, monumentale Grabbauten und prachtvolle Grabbeigaben ermöglicht Einblicke in ihre vielfältige Alltagskultur mit hoher Lebensqualität.
— Die Bevölkerung Etruriens wohnte in der frühen Villanovazeit (9.–8. Jahrhundert v. Chr., eisenzeitliche Kultur) in kleineren Ansiedlungen. Nach stetigem wirtschaftlichem Wachstum entwickelten sich diese etwa bis zum 6. Jahrhundert v. Chr. zu etruskischen Städten.
Die Städte hatten eine eigene politische Verwaltung und waren wirtschaftlich und militärisch unabhängig. Deshalb nennt man sie Stadtstaaten. Das heißt, es bestand nie ein einziges großes Etruskerreich, sondern es existierten verschiedene etruskische Stadtstaaten mit den ihnen zugehörigen Gebieten. Im Kernland der Etrusker zwischen Arno und Tiber gab es ein dichtes Netz solcher Stadtstaaten, das mit der Erweiterung des etruskischen Einflussgebietes im Norden und Süden größer wurde.
Wichtige Metropolen schlossen sich zu einem Zwölfstädtebund zusammen. Es handelt sich dabei um eine Interessensgemeinschaft, die sich regelmäßig in einem Heiligtum, dem berühmten Fanum Voltumnae in Orvieto traf und wohl zu religiösen, vielleicht auch politischen Themen abstimmte.
„Diese [die Etrusker] zeichneten sich früher durch ihre Tapferkeit aus, erwarben ein weites Land und gründeten viele ansehnliche Städte. In gleicher Weise waren sie auch in der Seefahrt groß und herrschten lange Zeit über das Meer.“
Diodor V 40 (griechischer Historiker, 1. Jh. v. Chr.)
Perugia
Perugia gehörte im 4./3. Jh. v. Chr. zusammen mit Arezzo und Orvieto zu den drei mächtigsten Metropolen Etruriens. Seinen Wohlstand verdankte der Verkehrsknotenpunkt dem Handel, der Landwirtschaft, aber auch der Herstellung von Waffen und Rüstungen. Der Arco Etrusco in Perugia gehört zu den größten und am besten erhaltenen Toranlagen Etruriens. Neben etruskischen weist er römische Bauelemente und eine renaissancezeitliche Bauphase auf.
Cortona
Die auf einer Anhöhe strategisch günstige gelegene Stadt Cortona erlebte ihre größte Blüte in hellenistisch-römischer Zeit. Die mehr als 2 km lange Stadtmauer (5./4. Jh. v. Chr.) scheint in ihrem Verlauf nahezu identisch mit der darüber liegenden mittelalterlichen Stadtmauer gewesen zu sein. Sie ist heute noch an mehreren Stellen sichtbar.
Eines der bedeutendsten etruskischen Schrift-zeugnisse, die sog. Tabula Cortonensis – ein privater Vertrag auf einer Bronzetafel – stammt aus dieser Stadt.
Populonia
Populonia liegt als einzige etruskische Stadt nicht im Landesinneren, sondern direkt an der tyrrhenischen Küste. Reiche Metallvorkommen sowie der intensive Handel mit Erzen begründeten den Reichtum der Industrie- und Handelsstadt von internationalem Ruf.
Berühmte Fundstücke aus Populonia sind die Überreste eines Streitwagens aus einem Grab (Tomba die Carri). Eine Rekonstruktion dieses Wagens mit Originalteilen können Sie in der Ausstellung entdecken.
Orvieto
Orvieto, die auf einem steilen Felsplateau thronende Metropole Inneretruriens, war in der Antike berühmt als Sitz des Bundesheiligtums des Zwölfstädtebundes. In der römischen Kaiserzeit zählte es mit Arezzo und Perugia zu den drei wichtigsten etruskischen Städten.
Der Tempel von Belvedere (5. Jh. v. Chr.) in Orvieto entspricht dem sog. Tuskanischen Typus mit dreigeteiltem Hauptraum und war wohl einer Göttertrias geweiht. Die Fundamente des Heiligtums sind heute noch zu sehen.
Cerveteri
Die bedeutendste Stadt Südetruriens war eine der dynamischsten Metropolen des gesamten Mittelmeerraums mit einer vielfältigen kunst-handwerklichen Produktion. Cerveteri erlebte seine Blütezeit im 7./6. Jh. v. Chr. und die Einwohnerzahl jener Zeit wird auf 25.000 Menschen geschätzt.
Die Nekropole auf dem Banditaccia-Plateau, die größte Etruriens, gehört seit 2004 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Veji
Veji, führendes Mitglied des etruskischen Zwölfstädtebundes, zählte zu den bedeutendsten Städten Südetruriens. Sie war die große Konkurrentin Roms um Macht und Einfluss in der Region.
Die Stadt besaß mit dem sog. Portonaccio-Tempel eines der berühmtesten Heiligtümer der etruskischen Welt. Statuen und dekorative Elemente dieses Tempels sind in unserer Ausstellung zu sehen.
Vetulonia
Die nordetruskische Küstenstadt Vetulonia war im 7. Jh. v. Chr. das wichtigste Metallverarbeitungs- und Handelszentrum Etruriens, bedeutende Seehandelsmetropole und zu dieser Zeit auch eines der mächtigsten Mitglieder des Zwölfstädtebundes.
In den 1980er Jahren wurde eine 3m breite, kanalisierte Straße und Grundmauern von Häusern und Läden eines Stadtviertels (sog. Poggiarello Renzetti, 3.-1. Jh. v. Chr.) ausgegraben.
Volterra
Volterra, Gründungsmitglied des Zwölfstädtebundes, war das einzige größere Zentrum im Inneren Nordwestetruriens. Seine Glanzzeit als urbane und künstlerische Metropole von überregionaler Bedeutung erlebte es spät, ab dem 4. Jh. v. Chr.
Das im Süden in die Stadtmauer eingebaute Stadttor (Porta all´Arco, 3.-2. Jh. v. Chr.) zählt zu den am besten erhaltenen Etruriens. Bei uns in der Ausstellung können Sie die berühmte Statuette „Ombra della Sera“ eines überlangen Jünglings aus Volterra betrachten.
Chiusi
Chiusi war die wichtigste Metropole Inneretruriens mit einem großen politischen und kulturellen Einflussbereich. Sie galt als eine der wichtigsten Kunstzentren mit einer hochwertigen und kreativen, aber konservativen künstlerischen Produktion.
Heute sind die etruskischen Funde aus Chiusi und Umgebung im Museo Archeologico Nazionale zu sehen. Entdecken Sie aber auch in unserer Ausstellung einige dieser wertvollen Exponate!
Tarquinia
Tarquinia, nach legendärer Überlieferung vom etruskischen „Nationalhelden“ Tarchon gegründet, spielte über Jahrhunderte eine dominierende politische und kulturelle Rolle. Heute ist es vor allem aufgrund seiner Grabmalereien eine Hauptsehenswürdigkeit
für Etrurienreisende.
Die Wandmalereien der über 6000 Gräber der Monterozzi-Nekropole haben unser Wissen über etruskische Kultur und Kunst entscheidend geprägt. Daher ist die Nekropole seit 2004 UNESCO-Weltkulturerbe.
Arezzo
Aus einer kleinen landwirtschaftlich geprägten Siedlung in archaischer Zeit (6. Jh. v. Chr.) entwickelte sich Arezzo zu einem bedeutenden Zentrum und wichtigen Verkehrsknotenpunkt Nordostetruriens. Erst ab dem 4./3. Jh. v. Chr. entfaltete es eine beachtliche Wirtschaftskraft in der Metall- und Tonverarbeitung.
Schon im 16. Jahrhundert wurden in der Umgebung mehrere etruskische Bronzefiguren entdeckt, darunter auch die berühmte Chimäre von Arezzo – ein Mischwesen aus einem Löwen, einer Ziege und einer Schlange.
Vulci
Vulci war vom Ende des 7. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts eine der glanzvollsten süd-etruskischen Metropolen. Sein Reichtum zeigt sich in der Tatsache, dass es eines der produktivsten Kunstzentren und zugleich der bedeutendste Fundort attischer Importkeramik ist. Einzigartig sind Wandmalereien des nach seinem Entdecker benannten Kammergrabs, die Tomba François. Sie zeigen historische Szenen, Kämpfe zwischen Etruskern aus verschiedenen Städten.
Fiesole
Die etruskische Stadt Fiesole entwickelte sich aus dem Zusammenschluss mehrerer kleiner Ansiedlungen. Diese lagen auf einem ausgedehnten, ebenen Höhenzug, der seit der frühen Eisenzeit kontinuierlich besiedelt wurde.
Noch heute können Sie hier Reste der etruskischen Stadtmauer sowie eines Tempels (beides 4./3. Jahrhundert v. Chr.) entdecken. Von Fiesole aus genießt man einen wunderschönen Ausblick auf das jüngere Florenz.
Marzabotto
Marzabotto gilt als die am besten erforschte etruskische Stadt und zeichnet sich besonders durch das rechtwinklige Straßensystem und die daran ausgerichteten Wohnblöcke aus. Die Stadt nahm eine Vorreiterrolle bei der Urbanisierung Etruriens ein.
Sehr selten bei den Etruskern sind Handwerks-stücke aus Marmor, jedoch wurde der Kopf einer Jünglingsstatue aus diesem Stein in Marzabotto gefunden. Importiert oder von einem griechischen Bildhauer vor Ort angefertigt, war es eine exquisite Rarität.
— Die etruskischen Goldschmiede waren begnadete Künstler. Sie beherrschten die schwierigsten Techniken und erstellten eindrucksvolle Kunstwerke.
Der Rohstoff Gold war in Etrurien nicht vorhanden. Vermutlich stammte das Gold aus Mitteleuropa, von der Iberischen Halbinsel oder aus dem östlichen Mittelmeerraum. Die Goldartefakte des 8. Jh. v. Chr. waren relativ einfache Stücke wie Spiralen aus Golddraht als Zopfhalter oder Fibeln als Schmuck und zur Befestigung der Kleidung.
Ab Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. entstanden qualitätsvolle Goldschmiedearbeiten im großen Stil. Wahrscheinlich haben die etruskischen Kunsthandwerker neue Techniken wie die Granulation (Verlötung winziger Goldkügelchen zu ornamentalem Dekor), das Filigran (mit Golddraht) sowie die Goldlaminierung von Objekten, aus dem östlichen Mittelmeerraum übernommen und perfektioniert.
Zahlreiche Prestigeobjekte in den Nekropolen Etruriens, z. B. Prunkfibeln, Halsketten mit Anhängern, Armreife, Ohrringe und Gefäße, zeugen von den besonderen Fertigkeiten, der Kreativität und dem Kunstsinn der etruskischen Goldschmiede.
„Die Dinge, die sie während der Jahrhunderte ihres Wohlstandes hervorbrachten (…) atmen eine gewisse Lebensfülle.“
D.H. Lawrence, Etruskische Stätten, 1932
— Etruriens Lage am Mittelmeer war eine wichtige Voraussetzung für den Austausch mit anderen Kulturen. Die etruskischen Stadtstaaten und vor allem die Hafenstädte bildeten die Zentren der interkulturellen Begegnung. Häufig werden in archäologischen Ausgrabungen etruskischer Grabstätten Waren entdeckt, welche aus anderen Regionen des Mittelmeerraums importiert wurden.
Einige der frühesten Importe stammen aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. aus Sardinien. Mit den wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen erweiterten sich auch die internationalen Kontakte wie zum Beispiel mit den Griechen, Phöniziern, Puniern in Nordafrika oder den Kelten. Es handelt sich dabei zum einen um einen Austausch von Rohstoffen wie Bronze oder Eisen und von Handwerksarbeiten wie Keramik oder Schmuck. Zum anderen geht es auch um den dynamischen Transfer von Wissen, Ideen und Personen, z. B. von Handwerkern und Kaufleuten.
Die Etrusker nahmen die fremden Einflüsse auf und formten sie zu ihrer eigenen, sehr spezifischen Identität um. Es entstand eine Mentalität, die mit anderen Zivilisationen globale Phänomene teilte und die etruskische Kultur zu einer Weltkultur machte.
— Stimmungsvoll und fröhlich muten die Bankettdarstellungen auf Wandmalereien in etruskischen Gräbern an. Festlich gekleidet lagern Männer und Frauen auf Klinen (Liegemöbeln) und genießen Wein und Speisen. Akrobaten, Tänzer und Musikanten sorgen für Unterhaltung.
Das festliche Bankett veranschaulicht etruskische Lebenskultur: das repräsentative Tafeln ist nicht nur Ausdruck von Lebensfreude, sondern auch von Wohlstand und sozialem Prestige. Dies trifft auf das Diesseits wie möglicherweise auch auf das Jenseits zu. Der Wunsch nach einem glückseligen Jenseits wird mit zahlreichen Grabmalereien und Bildwerken wie Urnen oder Sarkophagen mit einem immerwährenden Festmahl symbolisiert.
Die Grabbeigaben und Malereien zeigen Alltagsgegenstände, die zum umfangreichen Bankettgeschirr und insbesondere zum Weingenuss gehören: Mischgefäße, um den Wein mit Wasser zu vermengen und mit Pinienharz, Rosmarin oder Thymian zu würzen. Unerlässlich waren Kannen und Schöpfkellen um Wein auszuschenken, Weinsiebe zum Filtern und Trinkschalen für den Genuss des edlen Tropfens.
Übrigens – nach neuesten Erkenntnissen haben die Etrusker den Weinanbau nach Frankreich gebracht. Santé!
„Sie (die Etrusker) lassen sich nämlich zweimal des Tages üppige Tafeln bereiten und alles übrige, was zu übertreibender Schwelgerei gehört; sie richten Lager aus Blüten her und haben eine Menge von allerlei silbernem Trinkgeschirr und eine nicht geringe Zahl von dienenden Hausgenossen angeschafft.“
Diodor V 40 (griechischer Historiker, 1. Jh. v. Chr.)
— Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern gab es in der Antike nie. Das politische, soziale und wirtschaftliche Leben war immer und überall von Männern dominiert. Für die etruskische Kultur wird jedoch häufig eine besondere Wertschätzung der Frau postuliert bzw. eine große Bedeutung von Ehe und Familie. Einen Hinweis darauf könnten Bildwerke die Ehepaare in liebevoller Umarmung zeigen. Inschriften zeigen, dass ein Etrusker als Namenszusatz und Abstammungsnachweis nicht nur den Namen seines Vaters, sondern auch den der Mutter tragen konnte.
Am Thema Frauen exemplifizieren sich die Unterschiede in Mentalität und im Sozialleben von Griechen und Etruskern, aber auch die damit zusammenhängenden Missverständnisse: Die Etruskerinnen durften z.B. gemeinsam mit den Männern an den festlichen Banketten teilnehmen – ein Skandal in den Augen der Griechen, welche die etruskischen Frauen nicht nur als eitel und „schön“ ansahen. Sondern sie apostrophierten sie auch als „trinkfest“ und verglichen sie mit Prostituierten.
„Etruskische Frauen (...) kümmern sich sehr um die Pflege des Leibes und (...) speisen nicht an der Seite ihrer eigenen Männer, sondern mit wem sie gerade zusammenkommen, und trinken zu, wem immer sie wollen. Sie sind äußerst trinkfest und sehr schön.“
Athenaios (griech. Schriftsteller, 2.-3. Jh. n. Chr.),
Gastmahl der Gelehrten IV 517d-e
— Wer heute durch die Toskana reist, kommt unweigerlich an den Weltkulturerbestätten von Tarquinia und Cerveteri vorbei. Seit 2004 gehören die Monterozzi-Nekropole bei Tarquinia und die Banditaccia-Nekropole bei Cerveteri zum UNESCO-Weltkulturerbe.
In der Villanovazeit wurden die Verstorbenen in kleineren Urnen- und Schachtgräbern bestattet. In der Zeit der Fürsten gab es große begehbare Grabkammern in monumentalen Hügelgräbern (Tumuli) mit kostbaren Beigaben wie Rüstungen, Schmuck oder fremdländischen Importwaren. Die Räume im Grab ahmten die Wohnräume in den Häusern der Etrusker nach. Die Toten sollten es auch im Jenseits gut haben und sich wohl fühlen.
Ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. wurden die Grabwände aufwendig bemalt. Häufig waren es Bankettszenen, aber auch Sportwettkämpfe, Jagd- oder Unterweltszenen. Die Etrusker glaubten, im Jenseits mit ihren Vorfahren weiterzuleben.
— Ein tief religiöses Volk und besonders gewissenhaft im Umgang mit den Göttern – so beschreiben antike Autoren die Etrusker.
Alle Ereignisse auf der Welt und im menschlichen Leben waren, so glaubten die Etrusker, von den Göttern vorbestimmt. Daher galt es, diesen göttlichen Willen zu erkunden, auszulegen und zukünftige Ereignisse möglichst günstig zu beeinflussen. Um mit den Göttern in Kontakt zu treten, bediente man sich verschiedener Kultrituale und -techniken. Hierbei deuteten Priester die Erscheinungen von Blitz und Donner, den Flug der Vögel oder das Aussehen der Innereien von Opfertieren, denn aus ihnen konnte man göttliche Zeichen lesen. Kein Werk wurde begonnen, keine Straße angelegt, ohne sich vorher der Zustimmung der Götter zu versichern.
In der Ausstellung finden Sie eine bronzene Schafsleber, die wohl als Lehrmodell für die Leberschau diente. Auf ihr sind die Namen der Götter und ihre Verortung im etruskischen Himmelsraum eingraviert.
Die Lehre von der Interpretation göttlicher Zeichen, wurde später von den Römern als disciplina etrusca bezeichnet und fand Eingang in ihre eigene Kultpraxis.
— Als zivilisierte Kultur besaßen die Etrusker eine eigene Sprache. Sie ist in sehr vielen kurzen Texten überliefert. Die Etrusker schrieben wohl auch einige längere Texte, zum Beispiel über ihre religiösen Rituale, welche aber nicht mehr erhalten sind.
Bis heute können die Forscher nur einen Teil der Sprache entziffern. Hauptsächlich kennt man Eigennamen, zum Beispiel Laris und Ati. Die Etrusker haben die Buchstaben von den Griechen übernommen und etwas abgewandelt. Geschrieben wurde von rechts nach links, von links nach rechts oder in wechselnder Schriftrichtung. Die etruskische Sprache gehört jedoch nicht zu der indoeuropäischen Sprachgruppe wie etwa Latein und Griechisch.
Archäologen finden auch heute noch etruskische Inschriften bei Ausgrabungen. Sprachforscher versuchen der Entschlüsselung des Etruskischen immer näher zu kommen. Doch die Lösung liegt noch immer im Dunkeln, so dass die Etrusker auch weiterhin ihre Rätselhaftigkeit umgibt.
— Vieles, was wir für typisch römisch halten, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als etruskisches Erbe.
Im 1. Jahrhundert v. Chr. hatte der römische Staat alle etruskischen Städte vereinnahmt. Dies war jedoch nicht das Ende der Etrusker, sondern sie gingen im Römischen Reich auf und lebten fortan als römische Bürger.
Die Römer ihrerseits führten die etruskische Kultur und Tradition fort, wie die religiösen Rituale der Vogel- und Eingeweideschau oder die Gladiatorenkämpfe, die vielleicht in etruskischen Leichenspielen wurzelten. Sogar die römische Toga lässt sich auf ein etruskisches Gewand, die Tebenna, zurückführen. In die römische Architektur gingen das Atriumhaus und der etruskische Tempeltypus ein. Das Tragen der Bulla wurde ebenfalls übernommen. Waren sie bei den Römern jedoch nur für Jungen üblich, trugen das Amulett bei den Etruskern auch die Mädchen.
Wichtige etruskische Persönlichkeiten sind römischer Geschichte. Wohl um 600 v. Chr. ließ der König Roms Tarquinius Priscus ein umfangreiches Abwassersystem (später zur Cloaca Maxima ausgebaut) anlegen. Dieser bautätige König war jedoch kein Römer, sondern Etrusker.
Ich bin ein Etrusker
— In der modernen Zeit begegnen uns die Etrusker noch immer – im Sport mit der Footballmannschaft „Etruschi F.A. Livorno“, in Filmen wie „Assassinio al cimitero etrusco“ (1982) [dt. „Mord auf einem etruskischen Friedhof“ en. „Murder in an Etruscan Cemetery“] aber auch in der Kunst. In der neo-etruskischen Strömung des 20. Jahrhunderts waren die Bildhauer Marino Marini und Arturo Martini die Hauptfiguren. Während Marini die Etrusker als Inspirationsquelle benannte, sagte Martini selbstbewusst: „Etruskische Inspiration? Nein, ich bin nicht inspiriert! Ich bin ein Etrusker.“
Bist Du auch ein Etrusker oder eine Etruskerin? In der Ausstellung könnt Ihr uns verraten warum. Oder teilt es uns und anderen bei instagram mit:
#ichbineinetrusker